Regionalität im Trend

21. August 2015

Über das Gute, das Nahe und das Vertraute

Univ.-Prof. Dr. Mike Peters im Gespräch über Regionalität im Tourismus.

Früher sprach man von Globalisierung, heute setzen wir auf Regionalität. Welche Bedeutung hat Regionalität in Tirol?
Regionalität hatte in Tirol schon immer eine sehr hohe Bedeutung: Wegen der Geografie, also der Talschaften, haben sich viele starke Eigenheiten wie Sprache, Bräuche oder Essgewohnheiten entwickelt. Die Bewohner dieser Kleinregionen lebten stets im Einklang mit der Natur, passten sich den Gegebenheiten stark an und optimierten ihre regionalen Ressourcen.

Heute hat sich der Sinn für Regionalität auch unter jungen Menschen in Tirol wieder sehr verstärkt. Dies gilt vor allem für Produkte und Dienstleistungen, die in Tirol in guter Qualität produziert werden.

Welche Bedeutung hat Regionalität im Tiroler Tourismus?

Meiner Meinung nach höchste Bedeutung. Tirol ist ein natürliches, lebendiges Tourismusland: Seine Ressourcen sind echt, sei es Gastlichkeit, Geschichte, Tradition, Natur oder Architektur. Regionalität ist eine Chance, sich auf die

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Foto: Birgit Pichler

außergewöhnlichen Ressourcen zu konzentrieren – wie Wasserqualität, Sommerklima oder Bergluft – und daraus Angebote zu entwickeln. Genau das geschieht im Tiroler Tourismus auch mit dem Ziel, Wertschöpfung zu steigern und dabei den Massentourismus zu vermeiden.

„Regionalität spielt in Tirol eine wesentlich größere Rolle als Bio.“

Univ.-Prof. Dr. Mike Peters

Außerdem sind Tourismusunternehmen stark in die Region eingebettet und durch die Familien mit den Einheimischen vernetzt – das untermauern auch unsere aktuellen Studien. Unsere Tourismusunternehmen kooperieren gerne mit anderen Betrieben in der Region zur nachhaltigen Tourismusentwicklung: Viele dieser Betriebe stellen Einheimische an und kaufen regionale Lebensmittel, weil sie authentisch sein möchten.

Woran liegt es, dass regionale Lebensmittel aktuell so beliebt sind?

Einerseits an der Unsicherheit der Konsumenten: Lebensmittelskandale und fehlendes Wissen über Zutaten und Produktion spielen Bauernmärkten in die Hände. Der Österreicher ist generell ein emotionaler Konsument, er schätzt die Nähe zum Heimischen. Tiroler reagieren außerdem kritisch auf (Über-)Regulierungen seitens der EU und tendieren dadurch noch mehr zu Regionalität.

Bedürfnis Regionalität

Woher kommt das Bedürfnis nach Regionalität?
• Es geht um Sicherheit, denn internationalen Produkten oder Unternehmen trauen wir nicht immer.
• Die regionale Wirtschaft zu unterstützen, macht zudem ein gutes Gewissen.
• Die aktuelle Kampagne der Wirtschaftskammer trifft damit ins Schwarze: „Support your local traders“ lautet das Motto. Jedem fällt es unangenehm auf, dass kleinere Geschäfte in der Nachbarschaft schließen. Dies geht uns alle an und emotionalisiert.

Inwiefern profitiert der Tourismus von regionalen Wirtschaftskreisläufen? Oder ist der Tourismus der Motor dafür?

Beides! Durch den Tourismus werden regionale Produkte und Dienstleistungen nachgefragt: Urlauber suchen gezielt danach. Aber der Tourismus selbst erzeugt auch regionale Dienstleistungen: Das Urlaubserlebnis in Tirol ist ein zutiefst regionales Produkt. Hinzu kommen Produkte aus der Gastronomie.

Was hat der Kunde unterm Strich von Regionalität?

Der Kunde hat größeres Vertrauen in regionale Produkte. Auch die Transparenz ist höher, weil er direkt beim Produzenten kaufen kann. Familienunternehmen im Tiroler Tourismus haben hier tatsächlich einen Vorteil: Viele Kunden misstrauen standardisierten Hotelketten, wenn diese nicht angepasst sind. Die Familie ist in Tirol verwurzelt, authentisch und echt – das sucht der Tourist.

Wie lässt sich Regionalität von Bio abgrenzen? Gibt es Schnittmengen?

Regionalität spielt für Tirol eine wesentlich größere Rolle als Bio. Eine Studie von A. T. Kearney hat vor wenigen Jahren gezeigt: Österreicher kaufen lieber regionale Produkte als Bio. Genauer gesagt: Jedes fünfte Produkt war regional, nur jedes zehnte bio. Regionale Produkte werden sogar sehr stark mit Bioprodukten verbunden und obwohl diese nicht den strengen Biokriterien unterliegen, sieht der Kunde darin einen nachhaltigen und schonenden Konsum, der Tirol und somit die Heimat stärkt.

Was würden Sie dem Tiroler Tourismus empfehlen?

Weiter so! Nachhaltigkeit und authentisches Bergerlebnis zugleich. Das heißt nicht absolute Reduktion des Urlaubserlebnisses, sondern auch Luxusurlaub. Bergerlebnisse können wir im Winter und im Sommer bieten, und zwar auf höchstem Qualitätsniveau mit viel High Tech und High Touch: Das ist Mehrwert durch den Urlaub, der die Menschen berührt und bei dem es um Begegnungen und Emotionen geht.

ZUR PERSON

Dr. Mike Peters, geboren 1966 in Landau/Pfalz, Deutschland, ist Universitätsprofessor an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Universtität Innsbruck. Seit Mai 2015 leitet er die Stiftungsprofessur „KMU und Tourismus“. Nach der Lehre zum Rastaurantfachmann arbeitete er in der Hotellerie, bevor er 1990 nach Tirol kam und hier die akademische Laufbahn in der Tourismusforschung einschlug. Seine Forschungsschwerpunkte sind Klein- und Familienunternehmen im Tourismus, Innovationsprozesse und Entrepreneurship.

SEIN VERSTÄNDNIS VON REGIONALITÄT UND REGIONALER WERTSCHÖPFUNG
  • dem ortsansässigen Fußballverein die Daumen drücken
  • lokale Produkte, Veranstaltungen und Aktionen unterstützen
  • Gemüse beim Wochenmarkt – zum Beispiel am Wiltener Platzl – einkaufen
  • Bücher nicht online bestellen, sondern beim Buchhändler in Innsbruck kaufen



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