„Film ab“ in Tirol

23. Juni 2016

Was 1990 mit der Location-Suche für die beliebte TV-Serie „Der Bergdoktor“ begonnen hat, wurde – dank Cine Tirol – zum Erfolgsmodell. Über den Urspung der Heimatfilme, Tirol als Bollywood-Kulisse und Schauplatz für Reality Shows und ein Special der PokerStars.de.

Hauptdarsteller Tiroler Tourismus

Urlaub, wo James Bond Bösewichte jagt, oder auch: Urlaub, wo der Bergdoktor zu Hause ist. Mit der Locationsuche für die beliebte TV-Serie „Der Bergdoktor“ hat 1990 die Erfolgsgeschichte der Cine Tirol begonnen. Fortgesetzt wird sie u.a. durch Bollywood-Produktionen oder die englische Reality-Show „The Jump“ an der Top-Location Hotel Klosterbräu in Seefeld. Sie beweisen, dass auch weniger prominent besetzte Formate eine Hauptrolle im heimischen Tourismus spielen können.

Der Weg des Films nach Tirol

Kaum eine Landschaft vermag die Herzen der Menschen so zu berühren wie eine Bergkulisse. Auch das Medium Film nutzt die Strahlkraft felsiger Landschaften, um Herausforderung und Gefahr, aber auch Rückzug und Idylle darzustellen. Doch wie fand der Film überhaupt den Weg in die Tiroler Alpen? Nach der ersten öffentlichen Filmvorführung der Brüder Lumière in Paris 1895 dauerte es nur knapp ein Jahr, bis eine Projektion der sogenannten lebenden Bilder auch in Tirol stattfinden konnte. Gezeigt wurden die Filme in Gasthäusern, Brauereien oder auf Jahrmärkten, Wanderkinos zogen mit ihren Vorführungen von Trient nach Innsbruck und Meran. Die Filme dauerten nur wenige Minuten, trotzdem war das Publikum begeistert. Mit der Entwicklung des Kinematographen, mit dem Filmaufnahmen und Vorführungen möglich wurden, blühte das Medium Film weiter auf. 1905 kam der Engländer Frank Ormiston-Smith nach Tirol, um hiesige Szenen für Vorträge in seiner Heimat kinematographisch festzuhalten.
Bereits ein Jahr später erkannte der Tiroler Landesverband für Fremdenverkehr das große Potenzial der bewegten Bilder und engagierte den Engländer, Filme über Tirol zu drehen. Diese wurden in Deutschland und England zu Werbezwecken gezeigt, um Gäste zu einem Urlaub in Tirol zu animieren. Damit bewies der Verband eine sehr frühe und darum umso beachtlichere Weitsicht.

Tirol in Spielfilmen

Dank des Fortschritts der technischen Filmmittel am Anfang des 20. Jahrhunderts waren rasch auch Produktionen in Spielfilmlänge möglich. Pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum der Schlacht am Bergisel inszenierte zum Beispiel der Regisseur Karl Wolf 1909 sein Werk „Andreas Hofer“ als dramatisches David-gegen-Goliath-ähnliches Epos der Freiheitskämpfer. Johannes Köck, Leiter der Cine Tirol, kann im Zusammenhang mit Film und Tirol auch auf einen der wohl meistgesuchten Filme der Welt verweisen: „The Mountain Eagle“ von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1925. Angeblich soll der spätere Meisterregisseur in München eine Ansichtskarte von Obergurgl entdeckt haben und sofort von der Landschaft begeistert gewesen sein. Der Stummfilm ist Hitchcocks zweites Werk, allerdings wurde er damit nicht erfolgreich. Als ihn Journalisten Jahrzehnte später dazu befragten, stempelte er „The Mountain Eagle“ als Jugendsünde ab und wechselte das Thema. Filmhistoriker wissen aber, dass bereits in seine frühen Werke jene Elemente einflossen, die Hitch-
cocks Handschrift so einzigartig machten. Außerdem interessieren sich noch heute Filmfans für Hitchcocks Jugendsünden: Hinzu kommen noch mancherlei Gerüchte, wonach Hitchcock in Obergurgl etwa an der Höhenkrankheit litt und den kehlig klingenden Dialekt der Ötztaler dafür verantwortlich machte. Auch solche Geschichten tragen auf bizarre Weise zur Legendenbildung des verschollenen Films aus Tirol bei.

Der Aufschwung des Skisports

Das Werbepotenzial der Filme in und über Tirol bezog sich vorerst auf die Sommerfrische, doch das änderte sich in der Zwischenkriegszeit, als sich der Skisport allmählich etablierte. Nun bot ein verschneiter Berghang eine ideale Kulisse für die Inszenierung der Skipioniere. International erfolgreiche Filme wie „Der weiße Rausch“ mit Leni Riefenstahl, Walter Riml und Hannes Schneider erzielten eine große Breitenwirkung. Heutzutage sind alpine Wintersportdestinationen auch Austragungsorte spannender Wettkämpfe, der Berg wird zur Arena. Das gilt nicht ausschließlich für Skiweltcups, sondern auch für internationale TV-Formate, wie die Channel-4-Show „The Jump“ beweist. Ihre Originalschauplätze gelten unter englischen Gästen als Geheimtipp.

Britisches TV-Format „The Jump“ im Kühtai

„Das britische Publikum hat einen anderen Zugang zum Wintersport als die Tiroler“, sagt Kim Strobl. Die Innsbruckerin hat jahrelang in London gelebt und gearbeitet, kennt die TV-Sitten ihrer Wahlheimat und ist als „Associate Producer“ bei „The Jump“ dabei. Sie ist die Schnittstelle zwischen der Produktionsfirma TwoFour Broadcast, deren eigens eingeflogener Crew und den Drehorten in Tirol. Die Sendung wird im größten britischen Privat-
sender Channel 4 ausgestrahlt, der unter anderem auch Starkoch Jamie Oliver unter Vertrag hat. „‚The Jump‘ ist hierzulande kaum bekannt, aber sehr erfolgreich in England,“ weiß Strobl. In der Show treten 12 bis 16 mehr oder weniger prominente Stars gegeneinander an, wofür sie verschiedene Winterdisziplinen wie Riesenslalom, Bobfahren oder Snowskate erlernen müssen. Und wer bei den Wettkämpfen am schlechtesten abschneidet, erhält noch eine letzte Chance beim Skispringen, woher auch der Name der Show in Anlehnung an „Eddie the Eagle“ stammt. „In der Show sorgt die Schanze, die extra für die Show im Kühtai gebaut wurde, für reichlich Nervenkitzel, aber wir treffen alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen“, so Strobl. Darum springen die Neo-Athleten hier immer mit Airbag. Das Spannende am Konzept der Sendung ist die Eliminierung der Kandidaten, die nach messbaren sportlichen Kriterien erfolgt. Es gibt keine Jury, kein Televoting: „Wer weiter springt, darf bleiben“, fasst Strobl zusammen, „und wer sich bei den anderen Wettkämpfen gut anstellt, muss gar nicht springen.“

thejump

Urlaub mit dem Reality-Star

Wenn „The Jump“ im Fernsehen läuft, schauen mindestens zwei Millionen Menschen zu. Der Privatsender ist stolz auf diese Quote, allen Kritikern zum Trotz. Der ehemalige Rugby-Spieler Ben Cohen ist der Sieger der heurigen Edition. Während seiner 20-jährigen Karriere hatte er nicht einen Zahn verloren, bei „The Jump“ dafür gleich zwei. Höhepunkte der Show sind die Livesendungen, wofür sich immer mehr englische Tagestouristen aus Mayrhofen oder St. Anton auf den Weg ins Kühtai machen. Andere Fans planen sogar ihren Urlaub je nach Live-Terminen der Show, wie Strobl erzählt: „Anfänglich boten wir einen Shuttledienst von Innsbruck zur Show und retour an, um das Publikum für die Aufnahmen abzuholen, aber das ist nicht mehr notwendig – sie sind schon vor Ort, wir werben auch gar nicht dafür!“ Da nur eine begrenzte Zuschauerzahl aufnahmetechnisch sinnvoll ist, müssen die Produzenten sogar immer wieder Leute wegschicken.
Wie der Rest der 200-köpfigen Crew verbrachte auch Kim Strobl heuer mehrere Wochen am Set von „The Jump“ im Kühtai und stellt fest: „Die Show hat in England eine große Fangemeinde, die gerne die Originalschauplätze sehen möchte. Das spielt sicher eine Rolle bei der Urlaubsbuchung.“ Da die Fans auch von anderen Skidestinationen anreisen, sei es schwierig, die Anziehungskraft der Show in konkrete Nächtigungszahlen zu gießen. Nichtsdestotrotz ist die Anzahl der britischen Gäste laut TVB im Kühtai leicht gestiegen.

kimstrobl „Anfänglich boten wir einen Shuttledienst von Innsbruck zur Show und retour an, um das Publikum für die Aufnahmen abzuholen, aber das ist nicht mehr notwendig – sie sind schon vor Ort.“
Kim Strobl, Associate Producer, The Jump
„Rooooobert!“ im Klosterbräu

Erfahrungen mit TV-Produktionen hat man auch im Hotel Klosterbräu in Seefeld. Bereits in den 1960er-Jahren diente das 5-Sterne-Hotel als Schauplatz für verschiedene Filme und Serien. Gedreht wurden hier unter anderem „Das Geheimnis des Königssees“ mit der deutschen Schauspielerin Yvonne Catterfeld, „Ruf der Berge“ mit Hansi Hinterseer sowie einige Folgen der TV-Serien „SOKO Kitzbühel“, „Weißblaue Geschichten“ und „Pfarrer Braun“. Woran es liegt, dass das Klosterbräu gerne für Drehs eingesetzt wird, weiß Betreiber Alois Seyrling: „Es ist die Location an sich, die uns so attraktiv macht. Schöne Fünf-Sterne-Hotels gibt es viele. Das Klosterbräu aber bietet eine besondere Kulisse mit dem 500 Jahre alten Kloster, den Gewölben und den großen Räumen.“

Die-Geissens-und-Familie-Seyrling
Die bisher aufwendigste Produktion, die im Klosterbräu realisiert wurde, war „Die Geissens – PokerStars.de Spezial“ mit – unter anderem – den Millionären Carmen und Robert Geiss. Das Hotel diente nicht nur als Location, Alois Seyrling und seine Mitarbeiter waren auch in die Organisation eingebunden und unterstützten die 50-Mann-Filmcrew tatkräftig. Seyrling sind auch die Drehpausen in guter Erinnerung geblieben: „Es war interessant zu beobachten, dass die Geissens ‚echt‘ sind. Sie verhalten sich hinter der Kamera genauso wie vor der Kamera“, erzählt er. Wer die Serie kennt, hat vermutlich vor allem das markante „Rooooobert“ von Carmen Geiss im Ohr und die Zankereien des Ehepaars im Kopf. Alois Seyrling weiß aber aus erster Hand zu berichten: „Trotz allem Hin und Her – sie haben sich gern.“

„Das ist Film!“

Was Alois Seyrling jedem empfiehlt, der Teil einer solchen oder ähnlichen Produktion ist, sind Verhandlungsgeschick und gute Nerven. Entscheidend sei, das Drehbuch mit den Produzenten genau durchzugehen und abzuklären, ob und wie oft zum Beispiel der Hotelname genannt wird oder das Logo sichtbar ist. Und zwar bereits im Vorfeld, denn sobald gedreht wird, könne man nicht mehr eingreifen. „Es ist auch wichtig, beim Dreh dabei zu sein und sofort einzugreifen, wenn etwas doch anders gemacht wird als vereinbart. Ich begleite einen Dreh immer vom Anfang bis zum Ende“, erklärt Alois Seyrling. Gedreht wurden „Die Geissens“ im Klosterbräu in Seefeld direkt nach der Ferienzeit. Prinzipiell empfiehlt Seyrling, den Dreh so abzuwickeln, dass sich die anderen Hotelgäste nicht gestört fühlen. Darüber hinaus hätten seine Gäste aber sehr positiv reagiert, wie er berichtet: „Sie waren sehr interessiert, einen Filmdreh live zu sehen. Die Möglichkeit dazu bekommt man ja auch nicht in jedem Urlaub.“
Lohnen würde sich der Aufwand in jedem Fall, ist der Hotelier überzeugt: „Bedenkt man, wie viel Fernsehwerbung pro Sekunde kostet, hat es einen unbezahlbaren Wert, im Fernsehen – wie im Fall von ‚Die Geissens‘ – eineinhalb Stunden präsent zu sein. Unser jährliches Marketingbudget wäre mit wenigen Minuten schon komplett aufgebraucht“, so Seyrling. In Hinblick auf die Produktion kann er also nur positiv Bilanz ziehen. Auch wenn man sich auf einen Dreh dieser Größenordnung nicht wirklich vorbereiten könne, wie er erzählt, denn egal, was geplant sei, danach komme alles anders. Der Hotelier weiß aber auch: „Das ist Film! Und im Gastgewerbe ist man Spontanität ja gewohnt.“

aloisseyerling„ „Es ist wichtig, beim Dreh dabei zu sein und sofort einzugreifen, wenn etwas doch anders gemacht wird als vereinbart.“
Alois Seyrling, Betreiber Hotel Klosterbräu


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