Erst der Skisport als Massenphänomen verschob die Aufmerksamkeit der Touristiker auf die Wintersaison. Belege einer Rückbesinnung, die in einigen Regionen konsequent angegangen wird.
Die Sommerfrische hatte in Tirol lange Tradition, derzeit findet eine Rückbesinnung statt. Stark auf den Sommertourismus setzen zum Beispiel das Stubaital und Kitzbühel.
Vom Sommer zum Winter
Bis ins 19. Jahrhundert wurden die Winter in den Städten und die Sommer in den Bergen verbracht. Die Sommerfrische gehörte zum guten Ton und auch die Wiener Gesellschaft kam regelmäßig in die Tiroler Berge. Erst mit der Weiterentwicklung des Skifahrens hin zum Breitensport kam der Sommertourismus ein wenig ins Hintertreffen. Man erkannte das Potenzial des Wintersports für Tirol und begann, in den Regionen immer mehr in die Infrastruktur zu investieren. Zusätzliche und immer größere Skigebiete wurden erschlossen, noch mehr Hotels gebaut und so ein breites Angebot für die skibegeisterten Massen geschaffen. Ein Skiurlaub in den Tiroler Bergen wurde die neue Sehnsucht für Millionen von Gästen und von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre boomte der Wintertourismus in Tirol. Fortan wurde hierzulande der klassische ZweiSaisonen-Tourismus gelebt, das Zugpferd war aber der Winter – und ist es noch heute. In der Wintersaison 2015/16 konnten in Tirol 26,8 Millionen Übernachtungen verbucht werden, im Sommer 2015 waren es 19,7. Erst in den vergangenen Jahren, zusätzlich angefeuert durch die weltweite Wirtschaftskrise, findet eine Rückbesinnung auf den Sommertourismus statt.
Sommertourismus im Stubaital
Der Tourismusverband Stubai Tirol ist 2012 die Mission Sommertourismus ganz gezielt angegangen und hat einen moderierten, klar strukturierten, breit aufgestellten Profilbildungsprozess durchgeführt. Das Ergebnis lautet „Stubai 2021“ und basiert auf drei Säulen, wie Mag. Roland Volderauer, Geschäftsführer des TVB Stubai Tirol, erklärt: „Bewegung, Genuss, Lebensraum – das Stubaital präsentiert sich als Erholungsraum für aktive Genießer jeden Alters.“ Das Profil „Stubai 2021“ hat natürlich auch im Winter seine Berechtigung, für den Sommertourismus wurden aber gezielt Angebote entwickelt und in sie investiert. 365 Tage im Jahr gilt der Slo-gan „Bewegung, Genuss, Lebensraum“. Zu den Projekten zählt zum Beispiel der „WildeWasserWeg“, der über drei Etappen von der WildeWasserArena im hinteren Teil der Gemeinde Neustift bis zum Stubaier Gletscher führt. „Von Gletscherfeldern über türkisblaue Gebirgsseen, etliche kleinere Quellen, die sich zu tosenden Wasserfällen sammeln, bis hin zu kleinen Auen und Schwemmland gibt es hier das Element Wasser in verschiedenen Formen zu erleben und zu bestaunen“, erzählt Roland Volderauer.
Mehr als sieben Gipfelsiege…
Hoch hinaus geht es bei den Seven Summits Stubai. Die sieben Gipfel, die es zu erreichen gilt, gehören zu den Bergen Zuckerhütl (3.507 m), Wilder Freiger (3.418 m), Habicht (3.277 m), Rinnenspitze (3.003 m), Serles (2.717 m), Hoher Burgstall (2.611 m) und Elfer (2.505 m), dem Hausberg von Neustift. „Bei den Seven Summits Stubai geht es nicht nur um Höhe, sondern um das, was den Menschen diese Berge bedeuten. Sie alle erzählen eine Geschichte und prägen markant die Landschaft“, betont Volderauer. Entlang der Aufstiegswege erhalten die Wanderer Hintergrundinformationen zu den Bergen. „Die errungenen Gipfelsiege können zudem in einem Gipfelpass, der im Tourismusverband erhältlich ist, vermerkt werden und je nach Anzahl der bestiegenen Summits dürfen sich die Gäste hier noch über Auszeichnungen freuen“, erklärt Volderauer.
Naturerlebnisse – mit und ohne Gletscher
Im Stubaital setzt man aber auch gezielt auf sanftes Wandern und Aktivitäten am Berg, die leicht erreicht werden können. Am Stubaier Gletscher locken zum Beispiel die Gipfelplattform TOP OF TYROL oder ein Kletterpark. Außerdem werden im Sommer Gletscherführungen angeboten. Gleich neben der Bergstation der Elfer Bergbahnen in Neustift können Besucher die größte begehbare Sonnenuhr Europas entdecken oder den Paragleitern, die den Berg als Schulungs- und Thermikfluggebiet schätzen, beim Abheben zuschauen.
Bergerlebnisse kreieren
Aktuell wird am Elfer gerade der erste Mountainbike-Trail im Stubaital gebaut. Die Schlick 2000 in Fulpmes punktet unter anderem mit einem barrierefreien Panoramaweg und verschiedenen Natur-, Erlebnis- und Lehrpfaden. Die Serlesbahnen in Mieders haben eine 2,8 Kilometer lange Sommerrodelbahn, mit dem „Serlespark“ eine Wasser-Erlebniswelt und zahlreiche Mountainbikerouten im Programm.
Mit Veranstaltungen wie den Genuss-Wandernächten wird das Programm abgerundet und außerdem ständig weiterentwickelt. Für 2017 sind zum Beispiel der STUBAI ULTRATRAIL, ein Laufevent, dessen Strecke von Innsbruck bis zum Stubaier Gletscher auf 3.150 Meter Höhe führt, oder die Multimedia-Ski-Tanzperformance „GAIA Stubai – Mutter Erde“ von Enrique Gasa Valga, dem Leiter der Tanzkompanie Innsbruck, geplant.
Rad-WM im September 2018 in Zahlen
Und weiter geht es im Herbst 2018 mit der Kletter-WM in Innsbruck:
- 750 Athleten aus 70 teilnehmenden Nationen
- 40.000 Zuschauer werden erwartet
Rahmenbedingungen schaffen
Mit „Stubai 2021“ wollen die Verantwortlichen im Tourismusverband vor allem für Nachhaltigkeit sorgen, wie Roland Volderauer erklärt: „Neben den finanziellen wurden auch die strukturellen Voraussetzungen geschaffen. Mitarbeiter erhielten neue Stellenbeschreibungen, wodurch konsequent neue Verantwortungsbereiche und Kompetenzen aufgebaut werden konnten.“ Im Vordergrund stehen für die Verantwortlichen die Absicherung der Nächtigungen sowie eine Steigerung der Aufenthaltsdauer und des Durchschnittspreises und der damit verbundenen Wertschöpfung in der Region.
Roland Volderauer, Geschäftsführer TVB Stubai Tirol
Sommerfrische in Kitzbühel
Für Signe Reisch, Präsidentin des Kitzbühel Tourismus, ist klar: „Der Sommertourismus hat in Kitzbühel lange Tradition und war sogar vor dem Wintertourismus da, hatte jedenfalls zu Beginn des 19. Jahrhunderts sicher mehr Bedeutung.“ Als mit der Zeit aber der Skisport immer beliebter und viel investiert wurde, sei der Sommer immer mehr in den Hintergrund geraten, räumt die Touristikerin und Hotelierin ein.
Nachdem der große Boom langsam nachließ, wurde auch in Kitzbühel bald erkannt, dass die Auslastung im Winter alleine nicht reicht. Die Wirtschaftskrise verschärfte die Lage zusätzlich. Überhaupt sei es im Tourismus nicht leichter geworden, so Signe Reisch: „Es war daher naheliegend, sich auch wieder mehr auf den Sommer zu besinnen. Schließlich hat Kitzbühel im Sommer auch einiges zu bieten.“ Die ersten Schritte in diese Richtung gingen von privater Seite aus: „Ich kann konkret sagen, dass die erste einschneidende Maßnahme – der Bau von Golfplätzen – und verschiedene Veranstaltungen wie das Generali Open in Kitzbühel von Privaten und Vereinen gesetzt bzw. ins Leben gerufen wurden“, erinnert sich Reisch zurück.
Golfen, Kultur und Meetings
Die Golfplätze spielen für Kitzbühel eine wichtige Rolle. Vom Frühjahr bis in den Herbst hinein locken sie Golfer aus aller Welt an. Mit den dazugehörigen Golfclubs und mehreren Hotels, die sich ganz auf die Bedürfnisse der Sportler einstellen, Turnieren und anderen Veranstaltungen wurde ein breites Angebot geschaffen. Die Verantwortlichen konzentrieren sich aber nicht nur auf Golf, wie auch Reisch erklärt: „Bei Kitzbühel Tourismus setzen wir seit Jahren auf die Pflege und den Ausbau der Wander- und Radwege, fördern aber auch die Jugend mit anderen Sportarten wie Fußball und Triathlon.“ Und auch die kulturelle Seite kommt in Kitzbühel nicht zu kurz, wie man mit Events wie „Klassik in den Alpen“ mit Elina Garanča, Theatervorführungen oder auch mit Konzerten von Andreas Gabalier beweist. „Ein wesentliches Standbein haben wir auch mit der Struktur für ‚MICE‘ geschaffen“, so Signe Reisch. „MICE“ steht wörtlich für Meetings, Incentives, Conventions, Events und dahinter steckt das Ziel, die Region Kitzbühel als guten Ausrichtungsort für Tagungen, Meetings und Kongresse zu etablieren.
Mit der Strategie „Kitzbühel 365 Tage“ hat man sich auch in der Gamsstadt einen Fahrplan für die Zukunft erarbeitet. Die beschriebenen Maßnahmen würden dabei zwar den richtigen Weg vorgeben, Potenzial sei in Kitzbühel im Sommer wie im Winter vorhanden, glaubt Signe Reisch. „Was der richtige Weg ist, ist vielleicht auch eine philosophische Frage. Wie sich aber an der steigenden Beliebtheit unserer Region bei den Sommergästen zeigt, denke ich, haben wir sicher das richtige Angebot geschaffen“, so die Präsidentin des Kitzbühel Tourismus, die ergänzt: „Wobei man natürlich sagen muss, dass unsere herrliche Landschaft und die Qualität unserer gastronomischen Angebote von uns nicht erst geschaffen, sondern nur genutzt werden mussten. Viel investiert haben wir aber in den Ausbau der Infrastruktur, wie topmoderne Bergbahnen, wobei die Kitzbüheler Bergbahn AG unter Vorstand Dr. Josef Burger hier federführend ist.“ Diese hohe Qualität zu halten bzw. kontinuierlich zu steigern, hält Signe Reisch für entscheidend für die Region Kitzbühel – so wie den Blick nach vorne und das Schaffen von Vielfalt: „Für die Zukunft wird es auch wichtig sein, neue Sportarten und die Jugend zu fördern und auch für Familien den Aufenthalt attraktiv zu machen.“